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Kirchenbibliothek

Im Jahre 1504 vermachte der Wunsiedler Bürger Dr. Andreas Friesner (1448-1504) testamentarisch seine Bibliothek in Rom seiner Heimatstadt Wunsiedel.

Erst 1515 errichtete man für die Bücher ein eigenes Gebäude in Wunsiedel. Nordöstlich der Kirche, teilweise auf dem Grund des Pfarrhofes, baute man ein neues Beinhaus und setzte darauf einen großen Saal zur Aufnahme der Bibliothek. Das Gebäude steht heute noch.

Historisches

Der Gesamtbestand an alten Büchern umfaßt 2793 Bücher. Davon entfallen 394 auf das 16. Jahrhundert, 635 auf das 17. Jahrhundert, 1379 auf das 18. Jahrhundert und 385 auf das 19. Jahrhundert. Weiter umfaßt der Bestand 5 Inkunabeln und 7 mittelalterliche Handschriften. Der prozentual hohe Anteil an Bänden des 18. Jahrhunderts stammt aus der regen Sammeltätigkeit der ehemaligen Rektoren des Wunsiedler Lyceums, vor allem Johann Konstantin Friedrich Wernleins, dem Verfasser der Wunsiedler Schulgeschichte.

Bei der sprachlichen Gliederung des Bestandes überwiegt mit ca. 65% die lateinische Sprache. Etwa 30% sind in deutscher Sprache, der Rest verteilt sich auf Französisch, Griechisch, Hebräisch und Italienisch.

Bei der Neuordnung der Bibliothek ab 1926 erfolgte eine bis heute nicht veränderte Aufstellung nach 18 Sachgruppen, getrennt nach Folio, Quart und Oktav. Innerhalb der Sachgruppen wird nach dem numerus currens aufgestellt. Autores graeci (31 Bände), Autores latini (52 Bände), Biblia (37 Bände), Bibliographica (32 Bände), Biographia (75 Bände), Frühdrucke (106 Bände), Grammatica (199 Bände), Handschriften (9 Bände), Historia (543 Bände), Incunabula (5 Bände), Juridica (240 Bände), Litterae (76 Bände), Naturalia (367 Bände), Orientalia (18 Bände), Periodica (350 Bände), Philologica (39 Bände), Philosophia (183 Bände), Theologica Practica (286 Bände) und Theologica Theoretica (325 Bände).

Johann Konstantin Friedrich Wernlein konnte der Bibliothek als besonders wertvollen Besitz neun Handschriften des 15. Jahrhunderts zufügen. Sie waren der bescheidene Rest der alten Klosterbibliothek des bereits 1533 durch die Reformation aufgehobenen Augustinerstifts Langenzenn bei Ansbach. Die Handschriften waren in den Besitz des Markterlbacher Pfarrers und Geschichtsschreiber Hofpfalzgrafen Samuel Wilhelm Oetter gelangt, aus dessen Nachlaß sie Wernlein für die Wunsiedler Bibliothek erwarb.

Der hohe Anteil an Bänden der Sachgruppe "Naturalia" geht auf die rege Sammeltätigkeit der 1784 von dem Wunsiedler Superintendenten Dr. Johann Georg Wunderlich (1734-1802) gegründeten "Gesellschaft zur Aufklärung vaterländischer Geschichte, Sitten und Rechte", dem ältesten Geschichtsverein Deutschlands, zurück. U.a. wurden Werke zur Botanik, Chemie, Entomologie, Klimatologie, Medizin, Mineralogie, Physik und allgemeinen Technik angeschafft. Auch der hohe Anteil der Periodica steht mit dieser Gesellschaft in Zusammenhang, die sich bemühte, ihren Mitgliedern die neuesten Zeitungen, Zeitschriften u.ä. in der Bibliothek zur Verfügung zu stellen.

Die Bestände "Grammatica" und "Historia" stammen aus der ehemaligen Schulbibliothek des Wunsiedler Lyceums, deren Rektoren, wie oben beschrieben, immer wieder die Schüler zur Abgabe nicht mehr gebrauchter Bücher aus ihrem privaten Besitz anhielten.

Was die Sachgruppe "Juridica" betrifft, so wurden der Bibliothek im hohen Maße im Laufe der Jahrhunderte auf Grund des akademischen Bildungsstandes der Wunsiedler Stadtschreiber immer wieder juristische und verwaltungswissenschaftliche Werke, die entweder als Nachlaß Eingang fanden oder in der städtischen Verwaltung nicht mehr benötigt wurden, der Bibliothek zugeführt.

Der hohe Anteil der Sachgruppe "Theologica Practica" und der Sachgruppe "Theologica Theoretica" stammt zum Teil aus den Nachlässen Wunsiedler Geistlicher und aus einer kleinen Amtsbibliothek des Wunsiedler evangelischen Pfarramtes.

Der Erhaltungszustand der historischen Bestände ist bis auf wenige Ausnahmen mit gut bis zufriedenstellend zu bezeichnen. Der historische Bestand der Stadt- und Kirchenbibliothek ist ein Präsensbestand und wird nicht verliehen.


Über der Bibliothek liegt die Tragik, dass sie dem großen Umbruch nicht standhalten konnte. So gut wie alle Bücher des Andreas Friesner waren Werke scholastischer Gelehrter. Nur zehn Jahre nach Vollendung der Bibliothek galten sie auch in Wunsiedel als toter Nachlaß einer untergegangenen Epoche.

Im 17. Jahrhundert waren von der Friesnerischen Bibliothek nur noch wenige Exemplare vorhanden. Zum einen zerstörte der Stadtbrand von 1607 einen Großteil des Bestandes, zum anderen gingen während des 30jährigen Krieges Exemplare verloren. Schließlich vernichtete der Stadtbrand von 1646 den Dachstuhl des Bibliotheksgebäudes.

Gesamtbestand

Die letzten Überreste der ehemaligen Bibliothek und eine neue angesammelte "rare" Bibliothek vernichtete der Brand von 1731, dem fast die ganze Stadt zum Opfer fiel. Nicht mehr als sechs Bände der nach vorsichtiger Schätzung immerhin mehrere hundert Bände zählende Bibliothek konnten gerettet werden.

Ab etwa 1760 bauten Rektoren des Wunsiedler Lyceums eine neue Schulbibliothek auf, bei der sie betont Gewicht auf das Stiften von Büchern aus früheren Zeiten legten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts umfaßte diese Bibliothek bereits wieder einen Bestand von 800 Bänden. Zwischen 1784 und 1802 errichtete die Wunsiedler "Gesellschaft zu Erforschung vaterländischer Geschichte, Sitten und Rechte", der älteste Geschichtsverein Deutschlands, einen "Büchersaal", der später mit der Schulbibliothek vereint wurde. Mit Auflösung des Wunsiedler Lyceums ging diese Schulbibliothek 1812 in den Besitz der Stadt Wunsiedel über.

Zwischen 1828 und 1856 unternahm man es auf Betreiben des Stadtrates erstmals, einen freilich nach heutigen Gesichtspunkten unzulänglichen Katalog anzulegen und eine Revision alles Bestände vorzunehmen. Danach schien die Stadt die Bibliothek gänzlich vergessen zu haben. Erst 1888 fand man sie in verwahrlostem Zustand auf dem Boden der Hospitalkirche wieder.

Im Jahre 1922 wurde die Bibliothek in einen sicheren Raum im 2. Stock des Wunsiedler Rathauses verbracht, ihrem jetzigen Unterbringungsort. Ab 1926 erfuhr sie eine sachgemäße noch heute bestehende Ordnung, Ausbesserung und Aufstellung. Der damalige Bestand umfaßte über 2000 Bände. Da ein Großteil der Bücher theologischen Inhalts war, wurde die Neuordnung gemeinsam von der Stadt Wunsiedel und dem Evangelischen Pfarramt finanziert; man gab daher der Bibliothek den offiziellen Namen "Stadt- und Kirchenbibliothek Wunsiedel". Mit der Einstellung einer ehrenamtlichen Archivarin in den fünfziger Jahren und eines hauptamtlichen Archivars in den achtziger Jahren wurde die Bibliothek dem Stadtarchiv
unterstellt. Gleichzeitig begann man mit dem systematischen Aufbau einer Amtsbibliothek für das Stadtarchiv neben dem Altbestand, der nicht mehr erweitert wird. Dagegen werden für den Neubestand, der mittlerweile mit dem Altbestand einen Umfang von 6000 Bänden umfaßt, kontinuierlich Exemplare zur Geschichte der Stadt, des ehemaligen Sechsämterlandes und der Geschichte des Regierungsbezirks Oberfranken und Oberpfalz angekauft und gesammelt.